Aktuelle Ernährungsmedizin 2002; 27(5): 317-321
DOI: 10.1055/s-2002-34025
Verlautbarung
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zufütterung von gesunden, gestillten Neugeborenen

Stellungnahme der Nationalen Stillkommission Deutschland am BgVVAdditional Feeding of Healthy Nursed NewbornsH.-B.  von Stockhausen Nationale Stillkommission am BgVV: B. Benkert, K. E. Bergmann, R. Bergmann, B. Hahn, W. Hörz, R. Huch, M. Kersting, G. Meese, H. Przyrembel (Geschäftsführung), M. Scheele, E. Sporleder, S. Springer, H.-B. von Stockhausen, K. Vetter (Sprecher), M. Uhlemann, A. Wehling. E-mail: stillkommission@bgvv.de
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Publication Date:
11 September 2002 (online)

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Einleitung

Um 1900 wurde die schon vorher bei höheren Ständen geläufige Praxis von A. Czerny zum Dogma erhoben, zur Wahrung einer Erholungspause von Mutter und Kind das Neugeborene erst nach 24 Stunden erstmalig anzulegen [13] [36]. Erst nach 1960 begann man ein frühes Anlegen bzw. eine Frühfütterung des Neugeborenen zu empfehlen. Gleichzeitig wurde aber zum Schutz vor einer vermeintlichen Azidose und Hypoglykämie auch bei gestillten Kindern in den ersten Lebenstagen eine großzügige Zufütterung von Glukose- und Maltodextrinlösungen empfohlen und bis heute überwiegend auch praktiziert [6] [56]. Die Auswirkungen auf den Stillerfolg wurden nicht geprüft, da zu dieser Zeit die Stillfreude in allen Industriestaaten den niedrigsten Stand erreicht hatte. Die Diskussion über die Notwendigkeit einer Zufütterung bei gestillten Kindern hat sich jedoch vor allem im deutschen Sprachraum seit Beginn der allgemeinen Stillrenaissance eher verschärft [14] [30] [57], obwohl die American Academy of Pediatrics, WHO und UNICEF mit ihrer Aktion „Stillfreundliches Krankenhaus” und auch die Nationale Stillkommission in Deutschland zu der Erkenntnis gelangt sind, dass eine Zufütterung von Wasser, Glukoselösung und Ersatznahrung bei gesunden Neugeborenen nur aus medizinischen Gründen in Einzelfällen notwendig ist. In neun deutschsprachigen Lehrbüchern der letzten acht Jahre spricht sich kein Autor klar gegen eine Zufütterung aus, in fünf Büchern wird eine Zufuhr von Tee und Glukose in den ersten drei Lebenstagen sogar empfohlen. Der Ernährungsbericht 2000 des Bundesgesundheitsministeriums stellt fest, dass 1997/98 nach der „SuSe”-Studie 56 % der primär gestillten Neugeborenen in der Bundesrepublik in den ersten drei Lebenstagen eine Zufütterung vorwiegend in Form von Glukoselösung (88 %) erhielten [54]. Die Nationale Stillkommission versucht mit dem vorliegenden Statement, entsprechend dem aktuellen Wissensstand Klarheit über dieses Thema zu vermitteln, wobei das Problem bewusst nicht nur aus ernährungsphysiologischer Sicht, sondern auch von Seiten des Stoffwechsels, der endokrinologischen Aspekte sowie des Energie-, Wasser- und Elektrolythaushaltes betrachtet werden soll.

Literatur

Prof. Dr. H.-B. von Stockhausen

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